Standpunkt
Warum <h1-red-light>geschichtsbewusste Markenführung<h1-red-light> nicht retro ist
Ein wertvolles Energiefeld für die erfolgreiche Gestaltung von Markenstrategien ist der historische Background der Marke. Damit ist nicht Geschichte im Sinne von „längst Vergangenem“ gemeint, sondern die Frage, welche im Zeitverlauf entstandenen Charakteristika heute prägend für die Marke sind und daher auch für die Gestaltung ihrer Zukunft relevant sind.
Aus markensoziologischer Sicht ist die historische Fundierung von Markenstrategien eine Selbstverständlichkeit: Denn Kundschaft bildet sich ausschließlich im Zeitverlauf, und die bestehende Wettbewerbskraft einer Marke speist sich wesentlich aus positiven Erfahrungen ihrer Kunden mit früheren Leistungen. Folglich ist das Verständnis der individuellen Genese einer Marke grundlegend für alle Überlegungen, die ihre künftige strategische Ausrichtung betreffen.
In der Praxis kann man jedoch oft beobachten, wie Unternehmen, sobald Strategieentwicklung auf der Tagessordnung steht, beginnen, geradezu vorsätzlich mit der geschichtlichen Basis ihrer Marke zu brechen. Man möchte seine Marke für kommende Herausforderungen fit machen, indem man sie „neu erfindet“. Der Fokus liegt auf der Frage, was man künftig anders machen will. Und diese Denkrichtung führt dazu, leichtfertig geschichtliche Werte über Bord zu werfen.
Oftmals stehen Berater, Agenturen oder Designer dabei Pate; geradezu despektierlich wird dann – im Horizont trendiger „Zukunftsgestaltung“ – von den angestammten Leistungen der Marke gesprochen, als sei das, was gestern war und galt, per se nicht mehr zukunftsfähig. Tatsächlich ist ein solcher Bruch das Gegenteil von seriöser Markenstrategie – denn diese benötigt einen systematischen Geschichtsbezug.
Damit eine Markenstrategie wirksam werden kann, muss man die relevanten Leistungsfacetten ihrer Genese herausarbeiten und sie schlüssig mit den aktuellen Impulsen aus dem Unternehmen und dem Umfeld der Marke zusammenbringen. Es geht also weder um das unveränderte Beibehalten angestammter Elemente noch um eine Retro-Orientierung – sondern um evolutionäre Weiterentwicklung: historisch Akkumuliertes als Stütze künftiger Aktivitäten.
Will man ermessen, welchen Einfluss die Geschichte auf die künftige Ausrichtung einer Marke hat, ist es hilfreich, sich zwei Aspekte zu vergegenwärtigen: 1. die Verpflichtung zu geschichtskonformem Verhalten und 2. die Chance, ein unvergleichliches Energiepotenzial zu aktivieren.
Die Verpflichtung zu <h2-red>geschichtskonformem Verhalten<h2-red>
Tatsächlich gibt es einen regelrechten Zwang für Marken, sich „konform“ zu ihrer eigenen Geschichte zu verhalten. Selbst wenn ein Unternehmen beschließen würde, in Zukunft alles anders zu machen, würden die Öffentlichkeit und die Kunden dabei nicht mitspielen. Sie werden den aktuellen Auftritt der Marke immer in Beziehung setzen zu den Erfahrungen, die sie in der Vergangenheit gemacht haben.
Diese Rückkopplung wirkt einschränkend auf die Freiheitsgrade von Unternehmern, die eine Marke erfolgreich aufbauen: Sobald sich positive Erwartungen auf Kundenseite verfestigen, ist man nicht mehr völlig frei in seinem Handeln, sondern geradezu gezwungen, sein aktuelles Verhalten positiv mit seinem Handeln in der Vergangenheit zu verbinden. Erfolgreiche Startups erleben exakt diesen Effekt, sobald ihre Markenbildung zu greifen beginnt: Plötzlich können sie von positiven Leistungserwartungen profitieren. Und sie sind gut beraten, diese zu bestätigen.
Dass diese Art der Rückkopplung nicht nur für Marken sondern für jedes Vertrauenssystem konstitutiv ist, ist eine in den Sozialwissenschaften lange bekannte Einsicht. Sie findet sich in der frühen Markentechnik bei Hans Domizlaff ebenso wie in der Systemtheorie eines Niklas Luhmann.
Vertrauen in Markensystemen baut also immer auf geschichtlich geleisteten und von Kunden erfahrenen Charakteristika der Marken auf – Erfahrungen, die auf die Zukunft projiziert werden. Wer sich dieser Grundvoraussetzung erfolgreicher Markenführung durch abrupte Kehrtwendungen widersetzen wollte, ginge verantwortungslos mit dem ihm anvertrauten Markenkapital um.
Die Chance, ein unvergleichliches <h2-red>Energiepotenzial<h2-red> zu nutzen
Die historische Bindung der Marke stellt jedoch nicht nur eine Begrenzung des Handlungsspielraums dar. Sie ist vor allem eine enorme Chance, denn der Erfahrungsspeicher auf Kundenseite ist nichts anderes als aktivierbare Wettbewerbskraft.
Selbstverständlich kann man aus der Vergangenheit nicht ableiten, was für die Zukunft richtig ist – aber die Art und Weise, wie aktuelle Herausforderungen beantwortet werden, die sich beispielsweise aus veränderten kulturellen oder technischen Rahmenbedingen ergeben, sollte einen deutlichen Selbstbezug haben. Es sollten dabei also jene Eigenschaften aktualisiert oder in eine neue Fassung gebracht werden, für die die Marke bereits bekannt und beliebt ist.
Selbst unter härtestem Veränderungsdruck, wenn z.B. das ganze Unternehmen sich in einer Krisensituation neu strukturieren muss, stellt die im Zeitverlauf aufgebaute Energie einen substanziellen Wert dar. Die veränderte Ausrichtung einer Marke sollte auch dann – anstatt bei Null anzufangen – evolutionär an ihre historisch aufgebauten Leistungen anschließen und somit die bestehende Wertschätzung der Kunden konsequent nutzen.
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