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<h1-red-light>Markenstärke messen<h1-red-light>: Wie wird man dem ganzheitlichen Phänomen Marke gerecht? – Interview mit Dr. Ottmar Franzen
Das Konzept Markenstärke und dessen Messung hat in den letzten 30 Jahren nicht an Relevanz verloren. Vielmehr ist es wichtiger denn je für Marken zu wissen, wie stark sie sind und wie sie im Wettbewerb dastehen. Wie und mit welchen Tools die Messung der Markenstärke gelingen kann und welche Herausforderungen es dabei gibt, erfahren Sie im Interview mit Dr. Ottmar Franzen, einem der führenden Experten für Markenbewertungen.
Herr Dr. Franzen – Sie beschäftigen sich ja bereits seit Langem mit der Evaluierung von Marken. Wie aktuell ist das Thema Markenstärke messen?
Im Grunde ist das Thema gleichbleibend aktuell, seitdem ich mich mit Markenforschung beschäftige, also seit gut 30 Jahren. Zu Beginn meiner beruflichen Tätigkeit, bei ACNielsen, war schon die Frage, wie man die Relevanz von Marken-KPIs ermitteln und sie zu einem gesamthaften Erfolgswert verdichten kann. Es ging also damals wie heute um das Markencontrolling. Die Auswahl der KPIs hat sich inzwischen um Online-Touchpoints erweitert, aber die Grundfrage ist immer die Gleiche: Wie werde ich dem ganzheitlichen Phänomen Marke gerecht, und wie kann man ihre Stärke im Wettbewerbs- und Zeitvergleich steuern?
Marken haben ja zahlreiche Facetten, auf der einen Seite gibt es zu jeder Marke mindestens ein Produkt oder eine Dienstleistung. Es gibt idealerweise Alleinstellungsmerkmale, Marken kommunizieren an allen möglichen Touchpoints, neben den konkreten Leistungen gibt es auch so etwas wie eine Persönlichkeit einer Marke. Welche Rolle spielt all das bei der Messung von Markenstärke?
Alle Aspekte sollten eine Rolle spielen, wobei man die individuelle Situation der Marke betrachten muss: Also Markenart, Zielgruppen, Erfolgsparameter mit Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit der Marke. Und es müssen Facetten sein, die messbar sind. Wenn z.B. eine Marke sich über ein Alleinstellungsmerkmal definiert, sollte dieses auch in die Messung der Markenstärke einfließen. Zumindest als begleitender KPI. Das könnte z.B. bei Miele das Qualitätsimage im Hinblick auf die erwartete Lebensdauer sein oder bei BMW der Aspekt der Fahrfreude.
Was muss ein Ansatz leisten, der die Stärke einer Marke messen will, was gehört vielleicht auch woanders hin?
Ganz wichtig ist aus meiner Sicht eine einfache Beschaffbarkeit der Daten, denn sonst wird keine kontinuierliche Markenstärkemessung möglich. Ich habe bereits in den 90er Jahren bei Nielsen erfolgreich mit der „Marken-Bilanz“ von Brandmeyer und Schultz und mit dem „Nielsen Brand Performance System“ von Trommsdorff und Riedel die Markenstärke mit einem Bündel von Erfolgsparametern aus dem Nielsen Handelspanel und Verbraucherbefragungen Markenstärke gemessen. Das funktionierte bei Markenartikeln wunderbar. Auch rein befragungsgestützte Modelle sind möglich, wie z.B. Markenstärkemessungen auf der Basis von in der Praxis sehr beliebten Markenkauftrichterabfragen.
Die Messung von Markentreibern sollte ergänzend erfolgen, also welche Markenleistungen sind für das Wachstum von Markenstärke besonders entscheidend. Diese unterscheiden sich von Marke zu Marke und machen sie überhaupt erst operativ steuerbar. Markenstärke ist hierbei in einem kausalen Modell die abhängige Größe bzw. die Wirkung, die Markenleistungen sind die Ursachen. In der Praxis ist es also sinnvoll, Markenstärke-KPIs mit diagnostischen Modulen zur Bestimmung des Profils einer Marke, ihrer Alleinstellungsmerkmale, ihrer Persönlichkeit und Signale zu verbinden. Welche sogenannten „Distinctive Assets“ zahlen auf die Stärke einer Marke ein? Hier haben stark standardisierte Tools ihre Grenzen.
Beim BRAND TREE Ansatz – einem Modell zu Messung der Markenstärke, haben Sie ja auch intensiv mitgewirkt, unter anderem bei der Konzeption und Durchführung der aktuellen Studie FoodBrands 2022, welche die stärksten Lebensmittelmarken in Deutschland untersucht hat. Was ist aus Ihrer Sicht das Besondere an dem BRAND TREE Model?
Das BRAND TREE Modell unterscheidet zwischen der Präsenz der Marke in der Wahrnehmung und dem Markenfundament im Sinne einer individuellen Markenbindung und der Reflexion der Markennutzung aus dem Umfeld des Nutzers. Damit ähnelt der Ansatz dem Eisbergmodell. Anders als der Markeneisberg berücksichtigt der Brand Tree zusätzlich die Soziale Verankerung von Marken, also Status-Effekte und die Öffentliche Wertschätzung, in anderen Worten den guten Ruf einer Marke. Zudem werden neben emotionalen Faktoren auch eher rationale Aspekte einbezogen, nämlich, ob es gute Gründe gibt, eine Marke zu kaufen. Wir nennen das Vernunft. Beiden Modellen, Brand Tree und Markeneisberg, ist gemein, dass sie die Markenstärke mit Hilfe eines standardisierten Fragenkataloges auf der Basis von Umfragen messen. In das Brand Tree Modell sind dabei unsere gemeinsamen Erfahrungen in der empirischen Markenerfolgsmessung und der Erfolgsmusterforschung von Marken eingeflossen. Der Ansatz ist sehr wirtschaftlich konzipiert, denn bereits bei relativ kleinen Befragungsstichproben können belastbare Erkenntnisse gewonnen werden.
Die aktuelle BRAND TREE Studie Food Brands 2022 hatten wir bereits gerade erwähnt. Welche Erkenntnisse finden Sie besonders beachtenswert? Gibt es Dinge, die sie anders erwartet hätten oder die überraschen?
Mich hat überrascht, dass traditionelle Produkt-Marken wie Duplo, Milka und Coca-Cola am besten performen. Und dass es sich um Marken handelt, die „unvernünftige“ oder soll man sagen „ungesunde“ Produkte repräsentieren. Hier geht Herz über Kopf und es zeigen sich für mich zwei Erfolgsfaktoren: Langfristiger Markenaufbau, bereits in der Kindheit und dennoch die stetige Erneuerung und Verjüngung dieser Marken.
Was mich in diesem Kontext auch überrascht hat, dass nicht etwa Nutella die stärkere Marke von Ferrero ist, sondern eben Duplo.
Ganz praktisch gefragt: Welche Unternehmen sollten die Stärke ihrer Marke messen? Wann ist ein guter Zeitpunkt dafür?
Dieses Thema sollte jedes Unternehmen angehen, unabhängig von Branche, Zielgruppe oder Markenart. Die Marke gehört zu den wichtigsten und wertvollsten Assets von Unternehmen. Neben der reinen Erkenntnis der Markenstärke werden im Rahmen des Implementationsprozesses viele Fragen beantwortet: Welche Stakeholder sind relevant? Welche Regionen sollten betrachtet werden? Welches sind die Hauptwettbewerber und so weiter. Eine verdichtete Zielgröße, wie die Markenstärke erleichtert ferner die Kommunikation zwischen Marketing, Vertrieb und Finanzcontrolling. Marke wird nicht nur als Kostenträger verstanden, sondern als Investition in die Zukunft des Unternehmens. Dies gilt umso mehr, wenn die Markenstärke mit Finanzkennziffern zu einem monetären Markenwert verrechnet wird und damit eine direkte Ausweisung des Wertbeitrags der Marke für den Gesamtunternehmenswert möglich wird.
Vielen Dank für das Gespräch!
Zur Person:
Dr. Ottmar Franzen ist geschäftsführender Gesellschafter der Konzept & Markt GmbH und einer der führenden Experten für Markenbewertungen in Deutschland. Nach Studium und Assistenzzeit an der Universität Göttingen wechselte er 1990 zum LINK Institut, Luzern, Schweiz. Danach war er bei Nielsen, Frankfurt, Leiter des Bereichs Customized Consumer Research und dort u.a. verantwortlich für die Modellentwicklung und Vermarktung der „Marken-Bilanz“. 1996 Gründung der Konzept & Markt GmbH, Geisenheim. Er ist Mitbegründer des Brand Valuation Forum und war stellvertretender Obmann im DIN-ISO Normungsausschuss „Monetäre Markenwertmessung“. Dr. Franzen war ferner langjähriges Jurymitglied des DMV-Wissenschaftspreises und Beirat im Marketingclub Frankfurt. Darüber hinaus ist er Lehrbeauftragter für Marken-Monitoring an der Hochschule Würzburg und Autor zahlreicher Fachbeiträge.
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